Warum mußte es ausgerechnet ein „Hundertsechsundzwanziger” sein? Nun, dazu hatte ich ja schon im Kapitel zuvor einige durchaus sachliche Argumente geliefert. Aber es geht auch um eine emotionale Ebene – wie immer beim Autokauf. Der Hauptgrund also ist: Die S-Klasse der Achtziger Jahre wurde ab 1974 entwickelt, und daher vermutlich als letztes aufsehenerregendes Automobil noch von Ingenieuren mit Hosenträgern, Pfeife im Mundwinkel und Bleistift hinterm Ohr.

Ebenso stereotyp waren die Fahrer bzw. Chauffierten solcher Fahrzeuge: zigarrerauchende Bankiers, Bosse großer traditionsreicher Familienunternehmen und Politiker, die noch ihre Ecken und Kanten hatten. Und wer sich sonst noch so ein Auto leisten konnte, der mußte es wirklich zu etwas gebracht haben. Die echten „oberen Zehntausend" gaben sich auch nicht mit einem "SE" ab. Die Langlimousine mußte es sein. Und natürlich nautikblau… obwohl… das ist reine Spekulation von mir :-)

Sicher ist: die Zeiten, in denen sich jeder Mietkasernenbewohner im Dreijahrestakt einen Neuwagen im Wert einer Eigentumswohnung auf Pump leisten konnte, waren noch nicht angebrochen. Die großen Limousinen der S-Klasse waren daher – mehr noch als heute – das Statussymbol schlechthin, und dabei dennoch Ausdruck von Kultiviertheit, Anspruch und sogar Vernunft. Ein Auto dieser Größe mit nur (!) 17 Litern Verbrauch auf 100km galt Anfang der 80er Jahre als Spritsparwunder.

Klar gab es auch innerhalb der Käuferschicht Abstufungen. So galten die Einstiegsmodelle, der 280er und 300er, als das „Buchhalterfahrzeug“ schlechthin und waren mit Grundpreisen um die 40.000 DM auch vergleichsweise erschwinglich. Am oberen Ende der Skala wiederum standen Langlimousinen des Typs 500er der ersten bzw. des 560ers der zweiten Serie. Ähnlich meinem Exemplar, für das es aber noch weitreichende Ausstattungsreserven gegeben hätte. Neben einem kleinen Kühlschrank im Kofferraum waren das u. a. auch eine komplette Büroausstattung mit Telefon(en), Fax in der Mittelarmlehne und ausklappbarem Laptop an der Rückseite des Beifahrersitzes, oder einen Fernseher samt Videorekorder. Und nicht zuletzt die Sonderschutzausführung, also die Panzerung, die übrigens viele heutzutage auch in meinem Wagen vermuten. Schließlich kennt man solch ein Schiff heute meist noch als „Staatslimousine“, und als solche wurde der gepanzerte W126 auch noch bis weit ins Jahr 1992 ausgeliefert, über ein halbes Jahr nach dem eigentlichen „Bandabgang“ der Baureihe W126 und bereits während der Produktion des Nachfolgemodells W140 alias „Dickschiff”. Grund hierfür ist der enorme Zeitaufwand, um den Wagen rundum „bombensicher“ zu machen. Derart rundumgeschützte Fahrzeuge erzielen auch heute als Gebrauchtwagen noch Preise um die 80.000€.

Und ganz zum alten Eisen gehört ein herkömmlicher W126 ebenfalls noch immer nicht. Denn bei der S-Klasse galt zu allen Zeiten der Leitsatz: „Wenn Du wissen willst, was Dein Alltagsauto in zehn Jahren kann, wirf einen Blick auf die heutige S-Klasse.” Das gilt im Moment für den W221, das galt aber auch schon in den Siebzigern für den W116.
Ergo: selbst heute, 15 Jahre nach Einstellung der Baureihe W126 und gut 30 Jahre nach ihrer Konzeption, gibt es noch immer Austattungs-merkmale, die nicht zur selbstver-ständlichen Grundkonfiguration eines jeden Autos des Jahres 2006 gehören. Das betrifft einerseits schonmal die Verarbeitung, aber insbesondere die passive Sicherheit der Insassen, sowie fahrdyna-mische Gimmicks wie ASR oder die Niveauregulierung mit verstellbarem Dämpfungsgrad. Ob man das wirklich braucht, ist eine andere Frage. Daß diese Features in einem gut ausgestatteten W126 aber stets zu finden sind, macht ihn auch als Alltagsfahrzeug mit geringem Anschaffungspreis noch immer attraktiv.
Kaum einem anderen Wagen standen die Deutschland-Wimpel während der Fußball-WM 2006 so gut wie der großen Langlimousine. Jeder noch so ausgefallen auf schwarz-rot-gold getrimmte VW/Opel/Audi/BMW hatte gegen diese Erscheinung mit gerademal zwei Billig-Wimpeln keine Chance in der Publikumsgunst. :-)

Das Mercedes-Design schlechthin und das damit verbundene Lebensgefühl gibt's gratis obendrauf. Bei einem 560er dazu den stärksten Serienmotor, den Mercedes bis dato verbaut hatte.

Aber der Reihe nach! Denn erst kommt ja noch: