In welche Schublade ist so ein Wagen einzusortieren? Geräumig genug wären die der „automobilen Oberklasse“ oder meinetwegen die „Luxusklasse“. Ein echter Mercedes-Enthusiast mit Lederweste und Brillenband denkt in anderen Kategorien. Schließlich deutet schon die vom Volksmund geprägte Bezeichnung S-Klasse darauf hin, daß der Wagen in seiner eigenen Liga spielt. Das fand auch Mercedes-Benz und übernahm den Begriff in den Siebziger Jahren in die offizielle Werbe-Nomenklatur zur Baureihe W116, dem Vorgänger des W126.
Gemein hat die S-Klasse mit der Oberklasse anderer Hersteller ungefähr die Stärke der Motorisierung, die phallischen Abmessungen, die luxuriöse Ausstattung. Ein entscheidendes Alleinstellungs-Merkmal aber (neben dem oft auch deutlich höheren Preis) gibt es bis heute: wesentliche Innovationen waren meist nur bei Mercedes erhältlich. Und aufgrund der hohen Entwicklungskosten zunächst auch nur für Gutbetuchte im Spitzenmodell S-Klasse. Das „S“ – so will man es in Stuttgart-Untertürkheim verstanden wissen – steht dabei angesichts der Art der Innovationen in erster Linie für „Sicherheit”, und das nicht nur wegen des Dreipunkt-Gurts (ebenfalls zuerst im Mercedes erhältlich).

Bis heute prägend: nach ersten Tests im Jahre 1967 (!) wurde Mercedes-Benz 4 Jahre später das Patent für den Prallsack zuteil und hatte 1980 in der S-Klasse als Luftsack seine Weltpremiere. 1987 mündete diese Evolution im Beifahrer-Airbag, ebenfalls als Weltneuheit. Teils noch wesentlich früher – und oft früher als die Konkurrenz – bot Mercedes seinen Kunden auch ABS (Antiblockiersystem), ASR (Antriebs-Schlupf-Regelung), ASD (Automatisches Sperr-Differential) und eine schier endlose Liste an Besonderheiten im Bereich Sicherheit, die ihre Manifestierung in der sehr aufwendigen Verarbeitung von Chassis und Karosserie finden. So ist es bspw. einer besonderen Anordnung der Trägersysteme zu verdanken, daß die Baureihe 126 die weltweit erste Generation von Automobilen wurde, deren Fahrgastzelle den gefürchteten Offset-Crash (seitlich versetzter Frontalaufprall auf stehendes Hindernis bei 55km/h) unbeschadet überstand. Ein nicht repräsentativer, aber sehr anschaulicher Nachweis dieser enormen Sicherheitsreserve findet sich auf www.mercedes500.de – knapp 60 Unfallwagen, fast alles W126er, bei keinem ist die Fahrgastzelle nennenswert in Mitleidenschaft gezogen worden..

Übrigens: auch die satellitengestützte Navigation per GPS hatte – man höre und staune – schon im W126 ihre Auto-Weltpremiere.
Die sehr lange Produktionszeit von beinahe 12 Jahren mit weit über 800.000 gebauten Fahrzeugen unterteilt sich in zwei Serien. Fahrzeuge der zweiten Serie ab 1986 mit vielen technischen Erweiterungen und Verbesserungen, zu der auch mein Exemplar zählt, unterscheiden sich natürlich auch optisch. Die für den Laien marginalen Unterschiede sind u. a. der tiefer heruntergezogene Frontspoiler, zu den Rädern hin heruntergezogene Schweller, die fehlende „Riffelung“ an der Seitenbeplankung, und Detailänderungen an Kofferraum und Heckfenster. Über die gesamte Bauzeit und unabhängig von der Einteilung in die Serien fanden kontinuierlich weitere Detailverbesserungen statt. Die technische Reife eines 126ers des Jahres 1991 könnte man leichtfertig als "perfekt" bezeichnen. Denn sie fand letzten Endes nur ihre Grenzen im dann schon längst überholten Grundkonzept.

Die Baureihe W126 wurde zum meistgebauten Oberklasse-Automobill der Welt. Eine eigene Fahrzeugklasse – eine eigene Klasse innerhalb der S-Klasse!

Video gefunden auf YouTube.com. Ein besonders peinlicher Fehler hat sich jedoch in den Sprechertext eingeschlichen: der Airbag kam nicht erst 1991, sondern natürlich schon 1980 in die Ausstattungslisten der S-Klasse. Ab 1987 war auch der Beifahrer-Airbag erhältlich.
Daß der 560SEL "nur" 272PS hatte, stimmt hingegen. Diese Angabe bezieht sich auf den 560er des Modellpflege-Jahres 1985. Die 279PS meines 1989er-Exemplars sind weiteren Detailverbesserungen an Motor und Katalysator-Anlage zu verdanken. Solche Zahlen schwankten also auch innerhalb der Serien.
Last but not least entstammen die 818.036 Fahrzeuge der Baureihe W126 nicht allein dem Werk in Sindelfingen, sondern wurden teils auch in Bremen hergestellt.

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